Im Gespräch mit ...
Rudolf Zechner
Alumni im Porträt Februar 2015
Forschung: Ausgezeichnet!
Privat schlägt sein Herz für das Sammeln von Mineralien und das Fliegenfischen, beruflich zählt Rudolf Zechner zu den renommiertesten Wissenschaftern Österreichs. Wie sich die Forscherlaufbahn des gebürtigen Grazers entwickelt hat und was die aktuelle Auszeichnung mit dem Louis-Jeantet-Preis für Medizin für ihn bedeutet, verrät der Biochemiker im aktuellen „Alumnus des Monats“-Interview.
Beitrag: Carmen Teubenbacher
Herr Prof. Zechner, Ihre Forscherlaufbahn hat vor über 40 Jahren an der Universität Graz begonnen. War Chemie immer schon die erste Studienwahl?
Ja, das war ein langjähriger Wunsch, ein großes Hobby. Ich habe schon in meiner Schulzeit im Keller meiner Eltern mit irgendwelchen Wässerchen Experimente gemacht, da war es eine logische Konsequenz Chemie zu studieren.
Haben Ihre Eltern das unterstützt?
Ja, sehr. Meine Eltern kommen aus einfacheren Arbeiter- und Angestelltenverhältnissen und hatten ein hohes Interesse daran, dass ihr Sohn bezüglich Ausbildung eine Stufe weiter kommt als sie selbst. Das hab ich mit der Matura geschafft und der Rest war dann nur mehr ein „Extra-Bonus“ (lacht).
"Durch prägenden Personen wie Prof. Gerhard Kostner bin ich in das Forschungsgebiet sprichwörtlich hineingerutscht."
Ein „Extra-Bonus“ am Beginn Ihrer wissenschaftlichen Karriere war ein Forschungsaufenthalt an der renommierten Rockefeller University in New York. Wie kam das zustande?
Ich habe nach dem Studium an der Uni Graz eine Assistentenstelle am Institut für Medizinische Biochemie, damals noch an der medizinischen Fakultät, bekommen und für mich war klar, dass ich nach Amerika gehen wollte. Ein Auslandsaufenthalt war zur damaligen Zeit vielleicht noch wichtiger als heute. Die Forschungslandschaft in Österreich im Bereich der Biowissenschaften war noch nicht so entwickelt, wie das heute der Fall ist. In Graz war die Biochemie zur damaligen Zeit noch ein Hilfs- und Ergänzungsfach der Chemie. Die Mikrobiologie oder die Molekularbiologie waren kein eigenes Fach und wurden erst Mitte der 80er Jahre in Graz etabliert. Aber im Bereich der Lipidforschung hat es schon damals sehr, sehr weitsichtige und erfolgreiche Forscherpersönlichkeiten gegeben. An der medizinischen Biochemie war das Prof. Gerhard Kostner, mein "erster Chef", an der TU Prof. Friedrich Paltauf und an der NAWI-Fakultät Prof. Hermann Esterbauer. Durch diese prägenden Personen bin ich in das Forschungsgebiet sprichwörtlich hineingerutscht. Damals war Molekularbiologie, Genetik und Molekulare Genetik gerade modern und ich wollte diese Techniken in der Lipid- und Atheroskleroseforschung einsetzen. Die dazugehörige Methodik, die Anfang der 80er Jahre eigentlich erst im Entstehen war, habe ich dann in den USA, an der Rockefeller University, im Labor von Prof. Jan Breslow gelernt.
Woran haben Sie in den USA konkret geforscht?
In der damaligen Zeit, noch lange vor dem humanen Genomprojekt, war es modern Gene zu klonieren, menschliche Gene oder Gene von Säugetieren und ich habe schon damals mit einer Lipase gearbeitet. Das Enzym heißt Lipoproteinlipaseund ist für den Fettimport in Muskelzellen und in Fettzellen verantwortlich. Während meines Forschungsaufenthaltes von 1985-1988 gelang es mir, das Maus-Gen der Lipoproteinlipase zu klonieren und zu charakterisieren. Im Anschluss danach haben wir in transgenen Mausmodellen untersucht, wie unterschiedliche Expression der Lipoproteinlipase in verschiedenen Geweben Fettleibigkeit erzeugen bzw. verhindern kann.
"Dass Stoffwechsel generell so in Mode kommt, wie er es jetzt ist, das war nicht abzusehen."
Sind Sie überrascht, dass dieser Forschungsbereich so wichtig geworden ist – auch in Bezug auf die Entwicklung unserer Gesellschaft? Laut aktuellen Studien gilt ja mittlerweile jeder zweite Österreicher als übergewichtig.
Das war vielleicht ein bisschen überraschend. Dass Stoffwechsel und speziell der Fettstoffwechsel so in Mode kommen würde, wie das jetzt der Fall ist, das war zu meiner Studenten und PostDoc Zeit nicht abzusehen. Damals war es wichtig zu untersuchen, wie Gentranskription reguliert wird oder DNA Replikation funktioniert. Heute ist Stoffwechselforschung wie gesagt aktuell, weil metabolische Erkrankungen wie Fettleibigkeit und Diabetes weltweit enorm zugenommen haben und immer noch zunehmen. Dadurch wurde es sehr wichtig, die zugrunde liegenden pathophysiologischen Mechanismen zu verstehen. Auch bei Krebserkrankungen spielen Stoffwechselreaktionen eine wichtige Rolle.
Eines dieser Enzyme, das die Forschung im Stoffwechselbereich angekurbelt hat, wurde von Ihnen und Ihrem Team entdeckt.
Richtig. Begonnen hat alles vor ziemlich genau 10 Jahren mit einer Publikation in der hochrenommierten wissenschaftlichen Zeitschrift „Science“. Bis zu diesem Zeitpunkt hat man geglaubt, dass ein bestimmtes Enzym namens hormon-sensitive Lipase für den Fettabbau in Fettzellen zuständig ist. Wir konnten zeigen, dass das nicht zutrifft und anschließend das eigentlich verantwortliche Enzym entdecken und beschreiben (Adipose Triglyzeridlipase, ATGL). Das war sicherlich ein großer Wurf, der die gängige Lehrmeinung revidierte. Wir konnten anschließend zeigen, dass die ATGL einen Aktivator braucht, der den Fettabbau im Fettgewebe und auch in anderen Geweben reguliert. Wenn das Enzym oder der Aktivator auf Grund einer genetischen Erkrankung fehlen, leiden Menschen an der sogenannten Neutrallipid Speichererkrankung. In der letzten Zeit untersuchen wir, wie der Prozess des Fettabbaus, den man Lipolyse nennt, in andere physiologische Vorgänge regulatorisch eingreift. Das könnte nicht zuletzt bei der Entstehung von metabolischen Krankheiten eine wichtige Rolle spielen.
Was wären konkrete Anwendungsgebiete für Ihre Forschungsarbeit?
Da gibt es mehrere Möglichkeiten, z.B. die medikamentöse Hemmung der ATGL könnte bei der Behandlung von Typ 2 Diabetes sinnvoll sein. Wir haben auch zeigen können, dass die unkontrollierte Abmagerung Kachexie bei Krebserkrankungen durch die Blockade der Lipolyse zumindest in der Maius verhindert werden kann. Aber die Medikamentenentwicklung steht nicht so sehr im Vordergrund unseres Interesses. Primär wollen wir verstehen, wie Fettstoffwechsel funktioniert, was passiert wenn er nicht funktioniert und welche Krankheiten dabei entstehen.
"Den einzelnen Forscher im Elfenbeinturm gibt es in unserem Feld nicht."
Wie richtungsweisend Ihre Forschungsarbeit ist, sieht man auch an der Fülle an Auszeichnungen, die Sie bisher dafür erhalten haben, wie zum Beispiel der mit 700.000 Schweizer Franken dotierte Louis-Jeantet-Preis für Medizin. Wie fühlt man sich da?
Ich freue mich sehr. Es ist eine große Auszeichnung und Ehre, die ich als Repräsentant eines tollen Forscherteams entgegennehmen darf. Die Reaktionen haben mir auch gezeigt, dass - wie jetzt beim Louis-Jeantet-Preis – unsere Forschungsarbeiten breit wahrgenommen werden – national und international. Die Auszeichnung war für uns alle auch deshalb eine große Überraschung, weil ich keine Ahnung hatte, dass ich überhaupt nominiert wurde! Das wichtigste in Zusammenhang mit diesen Auszeichnungen ist aber, dass wir weiterforschen können, dass es Geld gibt, mit dem junge MitarbeiterInnen sich voll der Forschung widmen können. Es sind ja nicht die Experimente, die ich persönlich mit der Pipette in der Hand durchgeführt habe, die ausgezeichnet wurden, sondern die Entdeckungen eines Teams, das über viele Jahre hervorragend zusammengearbeitet hat. Ich sehe mich da eher als Coach, der Ideen und Drittmittel einbringt, aber die Umsetzung unserer Forschungsziele sind Teamarbeit. Den einzelnen Forscher im Elfenbeinturm gibt es in unserem Feld nicht.
Mit all diesen großen Errungenschaften Ihrer Forscherkarriere, gibt es für Sie noch einen Traum, den Sie verwirklichen möchten?
Der Traum ist nach wie vor: neue, tolle Erkenntnisse. Es ist einfach faszinierend darauf zukommen, wie Lebewesen molekular funktionieren. Das Erlebnis, etwas zu verstehen, ist einfach großartig. Wissenschaftliche Preise sind als Anerkennung wichtig und sorgen für die Finanzierung der Forschung, aber die wirklich tollen Momente sind jene, die zu neuen Erkenntnissen führen - zumindest im beruflichen Leben. Privat gibt es natürlich Dinge, die sind noch viel großartiger, z.B. meine Frau, unser (inzwischen erwachsenes) Kind.
Stünden Sie jetzt am Anfang Ihrer Karriere, würden Sie sich also wieder für die Forschung entscheiden?
Ja, absolut. Ich wüsste nicht, was ich lieber täte.