Ein Auslandssemester in Wuhan war für Daniel Mair der Grundstein für eine erfolgreiche Karriere in China. Mittlerweile lebt und arbeitet der gebürtige Osttiroler seit über 10 Jahren in Shanghai. Seit 2014 ist der studierte Betriebswirt dort auch ehrenamtlich für die Uni Graz als Leiter des Alumni-Chapter SHANGHAI tätig. Wir haben bei Daniel Mair nachgefragt, wie er die letzten Wochen und Monate erlebt hat.
Herr Mag. Mair, wie haben Sie den Beginn der Corona-Krise in China wahrgenommen?
Ende Dezember habe ich schon gehört, dass es einen Virus in der Gegend von Wuhan gibt. In den ersten Januar-Tagen wurde die Lage dann akuter. Ich habe einen Kunden in Wuhan, der mich bat, ein für Januar geplantes Projekt aufgrund des Virus zu verschieben. Ich war dann noch auf einer Geschäftsreise in Indien. Anschließend war das chinesische Neujahr, das war die letzte Woche im Januar. Da war ich in Indonesien auf Urlaub und da hat sich dann alles sehr rasch entwickelt. Um den 28. Januar bin ich nach Shanghai zurückgeflogen. Mit den ganzen Schließungen in der Provinz Hubei ging es dann sehr, sehr schnell. Wir bekamen dann auch von der Regierung die Information, dass die Arbeit ruhen soll – nicht muss – aber soll. Damit gab es Zwangsferien, die bis 10. Februar verlängert wurden und dann war es natürlich eine sehr ungewisse Zeit, was Privates angeht aber natürlich auch Geschäftliches.
War es für Sie eine Option nach Österreich zurückzukehren?
Eigentlich nicht. Warum auch? Ich habe meine Firma hier und meine Leute. Ich muss auf mein Unternehmen schauen. Ich glaube, das wäre die falsche Message an die Leute, sie im Stich zu lassen. Das haben aber die meisten Ausländer gemacht und ich denke, das kommt nicht gut an bei den Einheimischen. Shanghai war auch nie so ein großes Risikogebiet, aber trotzdem ist man zu Hause geblieben und im Büro war ich nur, wenn es sein musste. Man hat sich an die Empfehlungen gehalten, weil es sich einfach gehört, sich anzupassen, solidarisch zu sein, aber auch sich selbst zu schützen. Ich persönlich habe den Virus nie so richtig als Gefahr gesehen. Ja es ist ein Virus, es ist ein Gesundheitsproblem, ich bin aber nach wie vor der Meinung, man könnte anders damit umgehen. Wie man damit umgeht, war ja auch in China anfangs völlig offen. Jetzt sieht man, dass China wahrscheinlich richtig gehandelt hat. Es bleibt abzuwarten, wie es in Europa und den USA weitergehen wird.
Wäre in China Ihrer Meinung nach ein anderer Weg als der rigorose Lockdown möglich gewesen?
Schwierige Frage, ich bin kein Virologe, obwohl es aktuell den Anschein hat, dass jeder einer ist (lacht). Ich bin sehr interessiert und höre mir sehr viele Kommentare und Meinungen an. Es gibt ja unter den Virologen auch unterschiedliche Meinungen, auch von der WHO, der ich grundsätzlich viel Gewicht gebe. Es ist einfach ein neuer Virus, keiner kennt ihn, keiner weiß, wie er sich entwickeln wird. Ich denke schon, dass der Lockdown die richtige Maßnahme war und dass er schon einiges erwirkt hat, aber das ist natürlich in einem Land wie China – kommunistisch geführt – anders als in Europa und Österreich in einer Demokratie. Wenngleich ich sagen muss, vor dem, was Österreich macht, habe ich auch großen Respekt.
Wie war für Sie der Lockdown konkret, wie sahen die Einschränkungen im Detail aus?
Der „richtige“ Lockdown war ja nur in der Provinz Hubei mit ihrer Hauptstadt Wuhan. Bei uns in Shanghai gab es nur eine Empfehlung, dass man zu Hause bleiben soll, aber man durfte rausgehen. Und man sollte auch nicht arbeiten bzw. von zu Hause aus arbeiten, aber das war nie ein Muss, es war immer freiwillig, wir sind aber dieser Empfehlung der Regierung nachgekommen. Ich habe im Homeoffice gearbeitet. Auch dann nach dem 10. Februar haben wir so gut wie möglich von zu Hause aus gearbeitet, aber dann hat sich die Lage auch schnell wieder normalisiert.
Wie schnell ging es, dass Sie zum „normalen Leben“ zurückgefunden haben?
Ich denke Ende Februar war der große Turnaround, wo die Zahlen in China nach unten gegangen sind, was die Ansteckungen betrifft. Da ist auch die Normalität im Alltagsleben aber auch im Geschäftsleben eingekehrt. Am Anfang war das Business zäh, weil es Reisebeschränkungen gegeben hat, auch von Provinzen, von Städten – das war auch für viele meiner Leute ein Problem. Wanderarbeiter durften nicht zurück auf die Baustelle, das war eine sehr schwierige Zeit. Aber Ende Februar, Anfang März hat sich alles sehr schnell wieder normalisiert und seit Anfang März machen wir wieder fast normales Geschäft.
Wie sieht es aktuell mit der Zusammenarbeit mit europäischen Partnern aus?
Noch gibt es keine Probleme, die kommen meiner Meinung nach erst. Meine Kunden sind fast alle Österreicher, Deutsche, Europäer, Amerikaner. Erst war es so, dass Partner in Europa natürlich ganz normal gearbeitet und mit uns hier diskutiert haben, wie wir mit unseren Projekten weitermachen. Natürlich war das keine leichte Zeit. Jetzt hat sich das Blatt gewendet, jetzt ist es genau umgekehrt. Jetzt ist in Europa alles dicht, die meisten unserer Kunden arbeiten gar nicht mehr bzw. von zu Hause aus. Das hat aber keinen Einfluss auf unsere Projekte oder wenig, aber neue Projekte, neues Geschäft ist natürlich schwierig. Da ist jetzt zur Zeit alles „on hold“, da wird sich in den nächsten Wochen auch nichts ändern und ich hoffe für uns alle, dass sich Europa und die USA bald erholen. China ist ja extrem exportorientiert, wenn da die Nachfrage nachlässt, dann wird auch China wieder Schwierigkeiten haben und das spürt man jetzt schön langsam.
Wie lang kann das die chinesische Wirtschaft stemmen, wenn Europa als Partner ausfällt?
Wie gesagt, China ist sehr exportabhängig von der EU und Europa, aber auch der Import ist natürlich stark betroffen. Ich habe von österreichischen und deutschen Firmen gehört, die ihre Produktion teilweise schon im Februar stoppen mussten, weil sie Produkte aus China nicht mehr bekommen haben, die Supply Chain ist komplett zusammengebrochen. Man sieht, wie abhängig die Welt eigentlich von China ist, aber umgekehrt ist das genauso. Deswegen schadet der „Trade War“ mit den USA der gesamten Weltwirtschaft, genauso wie der Virus allen Ländern schadet. Die Weltwirtschaft ist so verflochten, dass wenn nur einer wegbricht, das ganze System zusammenfällt. China braucht Europa und die USA sehr, ansonsten ist wie gesagt meine Befürchtung, dass in den nächsten Wochen und Monaten auch China wieder einbrechen wird. Zurzeit ist die Lage sehr stabil, aber wie gesagt, das kann sich schnell ändern.
Eine herausfordernde Zeit für alle!
Ja, aber ganz ehrlich, die ersten Tage, die ersten Wochen, habe ich mir schon Sorgen gemacht, wie alles weitergehen wird, aber dann – jeder ist depressiv, jeder ist negativ – habe ich mir gedacht, das bringt ja nichts. Man muss das Beste aus der Situation machen. Es geht jedem gleich, deswegen habe ich schnell umgeschaltet und habe das Ganze positiv gesehen und nach einer Krise, nach einem Tief kommt meistens immer ein Hoch. Eine Krise bietet neue Chancen, neue Möglichkeiten. Ich schaue nach vorne. Ich habe die letzten Wochen viele neue Projekte angefangen, was Expansionen betrifft. Ich möchte in Indien und Südostasien mehr Projekte machen. Das machen wir teilweise schon, aber ich habe daran in den letzten Wochen intensiver gearbeitet, um uns für die Zukunft breiter aufzustellen.
Herr Mag. Mair, vielen Dank für das Gespräch!