Tanja Angleitner Sagadin
Warum überhaupt KF Uni Graz?
Nachdem ich nach dem Gymnasium ein Jahr Pause gemacht hatte (aufgrund des Krieges im ehemaligen Jugoslawien), verbrachte ich ein Jahr in den USA, studierte Englisch, reiste und lernte das Leben in einem multikulturellen Umfeld kennen, in dem Melting Pot, der die USA waren und immer noch sind. Nachdem ich in einer Latino-Gemeinde gelebt hatte, umgeben von Babysitter-Freunden aus Österreich, Deutschland und der Schweiz, kam der Wunsch auf, Sprachen zu studieren. Vor über 30 Jahren gab es kein Internet, kein YouTube, wenig Kontakt mit Englischen Native-Speakers, es sei denn, man war „dort“. Die Optionen waren entweder, Englisch und Deutsch in Italien oder Englisch und Italienisch in Österreich zu studieren. Letzteres hat gewonnen, und ich bin froh, dass es so war.
Die Abteilung für Anglistik und Amerikanistik war die beste Wahl, die ich hätte treffen können. Und da ich nicht in den Mainstream gehen wollte, entdeckte ich bald meine Leidenschaft für Nischenstudien wie australische Aborigines-Literatur (was mich zu einer Sommerschule an der Universität Klagenfurt führte und mir später einen Mentor an der Universität Innsbruck „gab“). Nach meinem Masterabschluss machte ich mit einem PhD in amerikanischer und kanadischer Literatur der Indianer und Metis weiter, indem ich zunächst ein Erasmus-Austauschjahr in den Niederlanden machte (Studiengang Kulturanthropologie und amerikanische Geschichte). Es folgte ein Jahr in Kanada, wo ich die Gelegenheit hatte, einige Zeit mit den Mississauga Ojibway im First Nations Reserve Curve Lake zu verbringen und von ihnen zu lernen. Teil dieses Austauschs waren auch Sommerschulen am Lake Temagami in Nordontario, wo wir etwas über Kultur und Musik der Wahnapitae First Nation lernten. Namedropping? Ja, klar, ein entfernter Onkel von Shania Twain, Hugh McKenzie, spielte für uns...

Die Studienjahre waren auch eine lustige Zeit. Einerseits gab es eine aufregende und dynamische Sportgemeinschaft, sowohl innerhalb der USI, dem Sportzentrum der Universität, als auch im Studentenheim Hafnerriegel. Wir spielten und trainierten und spielten... und wurden Studentenheim-Vizemeisterinnen im Volleyball...
Und so kam es zum ersten Austausch mit unserer Anglistik - nach Großbritannien. Wir gingen für eine zweiwöchige Sommerschule nach Oxford. OXFORD! Erst als wir dort waren, merkte ich, dass dies nicht die OFFIZIELLE OXFORD-Universität war, die einzig wahre, sondern die Oxford Brooks-Universität. Aber es war großartig, (Shakespeare-)Literatur in der tatsächlichen „echten“ Umgebung zu studieren ... Jeden zweiten Abend wurde auf einem der Friedhöfe unter freiem Himmel ein Shakespeare-Stück aufgeführt. Gruselig, aber so authentisch. Ich habe jede Minute davon genossen.
Stellen sie sich vor: sie drucken eine Version Ihrer Masterarbeit aus, stecken sie in einen Ordner (einen leuchtend gelben, damit er sich von den üblichen schwarz-blauen abhebt), schicken sie den per Post an ihren Betreuer und stellen 4 Monate später fest, dass das Paket verloren gegangen ist. Die Sekretärin teilte mir dann mit: Könnten sie es bitte an Herrn Professor per Fax schicken? Na ja, wird wohl nichts, es sind immerhin 258 Seiten. Also ging noch ein gelbes Päckchen nach Innsbruck.
Ich wollte unbedingt am Erasmus-Austausch teilnehmen. Damals war Slowenien noch nicht Teil der EU, aber es gab Verhandlungen, und so hatten die in Österreich studierenden slowenischen Studenten die Möglichkeit zu gehen, mussten aber warten, bis alle anderen, infrage kommenden Kandidaten ihre Chance bekamen. Was übrig blieb, konnten wir, Nicht-EU-Studenten, nutzen.
Ich erinnere mich, wie ich mit meinem (späteren Doktoranden-Mentor) Prof. Dr. Walter Hölbling sprach und die Optionen prüfte. Plan A: die Niederlande, Nijmegen. Plan B: Jyväskylän yliopisto, eine finnische Universität mitten im Nirgendwo, umgeben von Tausenden von Seen. Ich entschied mich für die erste, die niederländische Option (und lernte Niederländisch). Hätte mich für die zweite entscheiden sollen, denn seitdem ist meine Zusammenarbeit mit Finnland sehr aktiv, positiv und dynamisch. Kiitos Suomi.
Könnt ihr euch vorstellen, wie viele Freunde man hat, wenn dein Studentenheimzimmer auf das Fußballstadion einer der besten Erstligamannschaften ausgerichtet ist? Ich kann es euch sagen: ein paar hundert mehr, als dein Zimmer/Apartment verkraften kann. Das Studentenheim Hafnerriegel war die Sportoase neben dem ehemaligen Sturm-Stadion. Jede Woche, zu Bundesligaspielen, klopften „Freunde“ an die Tür, ob ich Lust auf Kaffee hätte und ob wir AUCH DAS SPIEL SEHEN könnten? Das war noch dynamischer, als Sturm in der Champions League spielte (oder was auch immer das Äquivalent damals war). Aber es gab auch die Möglichkeit, alle tatsächlichen Kämpfe (fist-fights) LIVE vom Fenster aus zu verfolgen, wenn nach dem Spiel die Fans des heimischen Vereins auf die Gäste warteten und sie je nach Ergebnis wie verrückt mit allem, was nicht festgenagelt war, bekämpften oder einfach nur brüllten.
Ein schicker Abend? Ja, auch das war möglich, sogar mit Studentenbudget. Wir haben uns schick gemacht und sind ins Casino gegangen. Zu zweit. Beim Eintritt bekam jeder Jetons im Wert von 250 Schilling, bei einem Preis von 200. Die musste man spielen. Also haben wir einen auf Schwarz und einen auf Rot gesetzt. Einer hat immer gewonnen (doppelt), also hatten wir am Ende 100 Schilling, die wir für Getränke und Essen ausgeben konnten.
Und dann war da noch Michael, mein Studienfreund (der findet sich sicher in dieser Message…). Wir nahmen zusammen an vielen Seminaren und Workshops (Anglistik und Amerikanistik) teil und teilten das Interesse für Literatur und die englische Sprache. Er schaffte es, eines der beiden Stipendien für einen einjährigen Lehrauftrag in Australien zu bekommen. Ich konnte nicht – weil es einen Vertrag zwischen den beiden Regierungen gab, an dem nur österreichische Staatsbürger oder Personen mit österreichischer Matura teilnehmen konnten. Ich wollte so sehr nach Australien, dass ich drei Jahre nach meiner eigentlichen Matura bereit war, eine Maturaprüfung in Österreich zu schreiben. Aber dann ging ich nicht nach Australien (hätte nach sovielen Jahren die Mathe eh nicht geschafft…), sondern schrieb nur meine Masterarbeit über Australische Studien. Derselbe Michael war ein paar Jahre später in den USA und machte ein weiteres Jahr im Ausland als Lehrassistent. Wir waren drei Staaten voneinander entfernt, da ich zu dieser Zeit auch in den USA war und mein Post-Master-Praktikum bei Leonardo da Vinci machte (das war, bevor es Erasmus-Praktika gab). Michael und ich verloren dann etwa 20 Jahre lang den Kontakt, bis wir uns in derselben Europäischen Vereinigung der Hotel- und Tourismusschulen „fanden“. Ich war Vizepräsidentin und Landesvertreterin, während sein Schuldirektor Landesvertreter Österreichs im selben Verband war. Und ehe ich mich versah, traf ich ihn letztes Jahr auf der Bildungsmesse BeST in Klagenfurt. So viel darüber, wie klein unsere Welt ist und wie sich unsere Wege auf unvorstellbare Weise kreuzen können, insbesondere wenn man als Englischlehrer für Fachterminologie in der Hotellerie und Tourismus arbeitet.
Während meiner Studienjahre erweiterte ich ständig mein Wissen und meine Fähigkeiten, „rutschte“ irgendwie in den Job eines Tourguides/Tourmanagers hinein und tourte (während meiner Doktorat Vorbereitung) über 5 Jahre durch Europa. Ich habe es aus dem Standpunkt einer Studentin gesehen: Sie bezahlen mich fürs Reisen (mit Amerikanern!?!). Wenn ich zurückdenke: OH MEIN GOTT!!! Kein ChatGPT, keine QR-Codes, kein Internet, kaum Handys in der Nähe, und ich habe 5 Jahre und 58 Bustouren auf der Straße ohne Furcht und mit Volldampf überstanden.
Nach 10 Jahren im Ausland kehrte ich Ende 2001 nach Slowenien zurück, machte meinen Doktor fertig und begann mit fantastischer Expertise in allem, was Aborigines, Indianer und kanadische Métis betrifft, meine Karriere als PR-Manager bei Raiffeisen Bank in Slowenien. Wenn mich die Leute heute noch fragen, in welchem Fach ich meinen Abschluss gemacht habe, lache ich und sage: ABORIGINAL-LITERATUR. WIRKLICH HILFREICH!
Jetzt, nach mehr als 23 Jahren Berufserfahrung, kann ich nur bestätigen, dass die Universität und alle Arbeitserfahrungen dazwischen eine Schule fürs Leben sind. Alles, was sie tun müssen, ist, ihre Augen zu öffnen, Chancen zu ergreifen, das Unerwartete und Unbekannte anzugehen, sich in verschiedenen Dingen auszuprobieren, auch wenn das nicht auf Ihrem Diplom steht. Aber mit all diesen internationalen Erfahrungen und Anpassungen sind sie bereit für das Leben in jeder Umgebung.
Die heutigen Generationen haben mehr Möglichkeiten als wir vor 25 Jahren. Die heutigen Fähigkeiten und Arbeitsanforderungen ändern sich mit Lichtgeschwindigkeit. Was Sie studiert haben, existiert in 10 Jahren vielleicht nicht mehr. Was wir brauchen, ist ständige Anpassung an die Anforderungen der Arbeitswelt.
Ich denke, mein wanderndes Bildungsleben (ich habe in 8 Ländern und 2 Kontinenten gelebt und studiert) sowie mein Studentenleben (Europa war mein „Spielplatz“) haben mir geholfen, zu dieser interkulturellen, internationalen und transdisziplinär denkenden Fachkraft zu werden, die ich heute bin. Die Verbindungen zu Österreich bleiben bestehen (schließlich ist Graz nur einen Katzensprung von Maribor entfernt). Auch in meiner neuen Rolle als Leiterin der Internationaler Abteilung an der Universität Alma Mater, insbesondere im Umgang mit Universitäten im deutschsprachigen Raum (was ich die Hälfte der Zeit mache), vergesse ich nie zu sagen, dass ich eine Alumna der Karl-Franzens-Uni Graz bin. Und ich sage es mit Stolz. Ich bin stolz darauf, 10 Jahre lang die KFUNI-Matrikelnummer besitzt zu haben und jetzt Mag.Phil. sowie Dr.Phil. auf meinen Diplomen zu haben.
Was kommt als Nächstes? Interessante Geschichten und Aktivitäten mit Alumni in Slowenien. Ich kann es kaum erwarten, als Alumni Chapter-Slowenien Leiterin aktiv mit ihnen ins Gespräch zu kommen.
Bis dann! Se vidimo!